
Sprechen – Singen– Klingen
Mensch und Sprache
Sprache ist der Grundträger jeder menschlichen Kultur. Sie verschafft uns die Verbindung zu anderen Menschen. Wir können uns austauschen, Gedanken bewegen und Gefühle ausdrücken. Sprache ermöglicht uns, so miteinander umzugehen, dass wir auch verstanden werden. So ist es im Ideal. Jedes gesunde Kind kann es sich erwerben. Heute zeigt sich jedoch zunehmend deutlicher, dass Sprechenkönnen gar nicht so selbstverständlich ist. Etwa ein Drittel aller Kinder leidet unter Sprachentwicklungsstörungen. Das bedeutet, dass diese Kinder nur eingeschränkt dazu in der Lage sind, sich sprachlich mitzuteilen oder Sprache zu verstehen.
Alarmierend daran ist: Wer Sprache nicht beherrscht, ist leichter geneigt, nach körperlichen Mitteln der Verständigung zu suchen - z. B. in Gewalt. Sprache beherrschen zu lernen ist eine wesentliche Kulturaufgabe.
Was tun, damit Kinder sprachgewandt werden? Auf die Schule können wir uns da nicht verlassen, denn die kritische Zeitspanne, um Sprache zu erwerben, liegt in den ersten sieben Lebensjahren. Sobald die Kinder darüber hinaus sind, können sie nicht mehr sprechen lernen.
Sprechen wir genügend mit dem Kind?
Ist das Hörvermögen in Ordnung und das Kind spricht nicht oder nur sehr wenig, stellt sich die Frage: Ist es mit Sprachblockern konfrontiert, etwa indem es vor dem Bildschirm sitzt, ständig Schnuller oder Nuckelflasche im Mund hat oder zu wenig Ansprache hat? Sprechen wir wirklich genug mit dem Kind? Sprechen wird durch Nachahmen gelernt. Durch nichts anderes. Wenn es gut geht, versucht das Kind, Worte zu sprechen, sobald es gehen kann. Spätestens mit eineinhalb Jahren will es die Dinge benennen, die es sieht.
Die Worte des Kindes richtig wiederholen, in einem ganzen Satz. So lernt es nach und nach die richtige Aussprache und immer mehr neue Worte: "Das ist eine Gabel. Das ist ein Teller." Kinder sprechen sofort nach. Sie können gar nicht anders. Durch Miteinander-Sprechen wird Sprache gelernt. Genauso lernt ein Kind Zusammenhänge erkennen und in Zweiwortsätzen benennen.
Das Zwiegespräch bestärkt die Freude zu sprechen. Daher: Geduld haben, wenn das Kind nun oft hintereinander dasselbe spricht. Unbewusst tut es damit das Bestmögliche für den Spracherwerb. Es übt Worte und dann ganze Sätze und ist begeistert dabei. So erwirbt es sich allmählich seinen Sprachschatz.
Hand- und Fingerspiele
Hand- und Fingerspiele regen die Fingerbeweglichkeit an und stimulieren das Gehirn. Sie sind durch die ganze Kinderzeit hindurch beliebt. Man kann sie fast überall spielen: unterwegs, im Zug, im Bus, im Wartezimmer. Sie machen sofort gute Laune, selbst wenn sie schon hundertmal und mehr gespielt worden sind. Sobald ein Erwachsener zu spielen anfängt, sind die Kinder angeregt mitzumachen.
Handspiele mit Reim
Warum Kinder auf Reime sofort anspringen? Sprechen wir einen Reim, sind wir wie von selbst dem Kind gegenüber viel aufmerksamer. Es ist dicht neben uns oder auf dem Schoß – anders funktioniert es nicht. Das ist schon mal von der Körpersprache her stimmig. Außerdem der heitere Klang der Worte. Und die Tonlage: Sprechen wir einen Reim, geht die Stimme – wie von selbst – in einen höheren Frequenzbereich, der Kindern eigen ist.
Hohe Töne wecken die Aufmerksamkeit. Kinder sind dann sofort bei der Sache, wie jeder beobachten kann. Sie sprechen ohne Aufforderung. Reime können jedes Kind für Augenblicke vollkommen glücklich machen. Es will mehr von diesem Vergnügen und wünscht sich: "Noch mal!" Deswegen: viel reimen und singen. Es stärkt die Sprachlust.
Für Kinder ab zweieinhalb können es dann schon Spiele von der großen Hand in die Kleine sein.
Mise – muse Kätzchen,
Sammetweiche Tätzchen,
Seidenweiches Fellchen,
Kritze – kratze – Krällchen.
Die Hand des Kindes in die eigene legen und mit der anderen Hand über die Handfläche des Kindes streichen.
Sälzchen, Schmälzchen,
Butterchen, Brötchen,
Kribbel – krabbel – Krötchen.
Mit einer Hand die offene Hand des Kindes halten und diese bei jedem Wort mit den Fingerspitzen der anderen Hand antippen und zuletzt kitzeln.
Da hast ’n Taler.
Geh auf den Markt!
Kauf dir ’ne Kuh,
Kälbchen dazu,
Kälbchen hat ein Schwänzchen,
Macht: dideldideldänzchen.
Die Hand des Kindes so halten, dass die Handfläche nach oben zeigt, und bei jedem neuen Satz in die Hand des Kindes patschen.
Fingerspiele (Ab drei)
Der ist ins Wasser gefallen,
Der hat ihn rausgezogen,
Der hat ihn ins Bettchen gelegt,
Der hat ihn zugedeckt,
Und der kleine Wicki-Wacki-Wucki
Hat ihn wieder aufgeweckt.
Nacheinander – vom Daumen, bis zum kleinen Finger – alle Fingerspitzen berühren.
Daumen, dreh dich
Zeiger, streck dich,
Langer, reck dich,
Goldener, lupf dich,
Kleiner, duck dich.
Daumen ringsum drehen, die anderen Finger an den Spitzen berühren, den kleinen abknicken.
Eine kleine Dickmadam
Fuhr mal mit der Eisenbahn.
Eisenbahn, die krachte,
Dickmadam, die lachte.
Eine Hand umschließt die andere. Von der inneren Hand reckt sich der Daumen nach oben. Er ist die kleine Dickmadam. Die fährt ein Stückchen zwischen Kind und Erwachsenem hin und her. Bei «Eisenbahn, die krachte» schlägt sich der Erwachsene mit den Händen auf seine Schenkel. Dann reckt er den Daumen nach oben und bewegt ihn fröhlich hin und her.
Ich sitze, ich sitze
Mit spitzer Zipfelmütze
Auf einem Stein im Gras
Und denke dies und das.
Ich klopfe, ich klopfe,
Ich klopfe da und dort.
Doch wenn du nach mir guckst,
Bin ich fort.
Hedwig Diestel
Beide Hände über dem Kopf spitz zusammenlegen und bedächtig nicken. Nun klopft die eine, dann die andere Hand auf eine harte Unterlage. Zuletzt verschwinden die Hände.
Am Berge stehen, guck,
Die beiden Zwerge Pit und Puck.
Sie wispern mit den Stimmchen hell,
Sie trippeln wie der Wind so schnell.
Da tut’s im Berge einen Ruck:
Rabum – und weg sind Pit und Puck.
Hedwig Diestel
Mit beiden Fäusten auf die Knie klopfen. Die Daumen sind Pit und Puck. Sie bewegen sich entsprechend zum Text. Bei «Rabum» verschwinden sie hinter dem Rücken.
Das ist der Vater, lieb und gut,
Das ist die Mutter mit dem Federhut,
Das ist der Bruder, stark und groß,
Das ist die Schwester mit dem Püppchen auf dem Schoß,
Das ist das jüngste Kindelein,
Und das soll die ganze Familie sein.
Die einzelnen Fingerspitzen berühren: zuerst den Daumen (Vater), dann, vom Zeigefinger bis zum kleinen Finger, die Mutter und die Kinder. Zum Schluss bewegt sich die ganze Hand.
Himpelchen und Pimpelchen,
Die stiegen auf einen Berg.
Himpelchen war ein Heinzelmann
Und Pimpelchen ein Zwerg.
Sie blieben lange dort oben sitzen
Und wackelten mit ihren Zipfelmützen.
Doch nach dreiunddreißig Wochen
Sind sie in den Berg gekrochen.
Da schlafen sie in guter Ruh.
Seid mal still und hört gut zu!
Chrrr – chrrr – chrrr
Himpelchen (rechter Daumen) und Pimpelchen (linker Daumen) wackeln. Dann steigen beide hinauf bis über den Kopf des Erwachsenen. Handflächen spitz zusammen als "Zipfelmütze", wackeln. Daumen wieder raus und den Weg hinunter, Daumen in die Fäuste, schnarchen.
Erzählen und vorlesen
Freude an der Sprache wird besonders auch durch Geschichten geweckt, die persönlich erzählt, gespielt oder vorgelesen werden.
Das Vorlesen beginnt mit dem ersten Bilderbuch. Was Kinder dabei besonders mögen: mit den Eltern gemütlich nebeneinandersitzen. Auf ein Motiv zeigen: ein Ball. Ein Baum. Es ist sehr anregend, darüber zu sprechen, was auf dem Bild alles zu sehen ist. Kinder lieben es, immer wieder das Gleiche zu hören. Sie freuen sich am Entdecken, Wiedererkennen und Selberlernen.